EDV Technik & Wissen für Einsteiger und Anwender
EDV in der Zahntechnik
Eine Serie von Tony Domin (Autor des Buches "Marketing im Dental Labor")DPL Network Hamburg
8. Teil Programme für die Zahntechnik
EDV Kapazitätsplanung
Vision oder Realität ?
(Kapitel 1)
Die vor Ihnen liegende Ausgabe unserer EDV Serie wird sich sehr umfassend mit der theoretischen Betrachtungsweise eines EDV Anwendungsprogrammes auseinandersetzen, über welches seit Jahren von vielen diskutiert wurde und auch in absehbarer Zeit noch zu heftigen Kontroversen führen wird. Grund genug, dieses Thema aufzunehmen und in unsere EDV Serie einzubinden. Ein abschließendes Urteil überlassen wir wie immer Ihnen allein.
Im Allgemeinen wird von vielen immer noch die Meinung vertreten, daß weder ein Dental Labor noch andere Handwerksbetriebe durch ein Computerprogramm „betrieblich" gesteuert und gelenkt werden kann. Die Gegenargumente scheinen im ersten Moment bei vielen eine gewisse Wirksamkeit zu erzeugen. Im einzelnen wurden und werden folgende Gegenargumente aufgeführt:
- Hoher Anschaffungswert
- Kein Kosten-/Nutzwert
- Erhöhter Personalaufwand
- Einengung der Handwerklichen Geschicke der Techniker
- Eingeengte Handlungsfreiheit
Ferner werden auch die Argumente aufgeführt, daß EDV Kapazitätsplanungen nur von Großbetrieben in Betracht gezogen werden können, bzw. das diese Programme nur dann eine „reibungslose" Funktionalität garantieren können, sofern keine unvorhergesehenen Ereignisse eintreten, wie z.B. erhöhtes Aufkommen von neuen Aufträgen, Umplanungen oder Krankmeldungen. Das Reservoir der Gegenargumente scheint unerschöpflich.
Dieser Teil unserer Serie wird uns vielleicht keine endgültige Klärung aller offenen Fragen geben. Möglicher Weise werden wir gewisse Bestätigungen der Gegenargumente in Erfahrung bringen können. Eventuell könnte sich jedoch im Verlauf dieser Abhandlung ein völlig anderes Bild herauskristallisieren.
Erfahrungsgemäß werden in den Laboratorien in erster Linie reine Abrechnungsprogramme eingesetzt. Der Bereich der Auftragserfassung (falls vorhanden) beschränkt sich innerhalb der angebotenen Abrechnungsprogramme allein auf eine sogenannte Vorfakturierung. Hierbei wird im Prinzip nur eine Rechnung „vorgeschrieben" Die Datenerfassung erlaubt, wie bei einer herkömmlichen Rechnung in der Regel nur die Eingaben einzelner Leistungen, die Mengeneingabe, der vorgesehene Techniker und möglicher Weise auch ein Praxistermin. Anschließend wird ein Laufzettel gedruckt, der dem originalen Auftragszettel der Praxis beigelegt wird. Nach Fertigstellung der Arbeit, gelangt der Laufzettel in das Büro und wird dort im Abrechnungsprogramm wiederholt aufgerufen und mit den tatsächlich erbrachten Leistungen verglichen und nach erfolgter Korrektur als Rechnung gedruckt. Manche EDV - Anbieter erlauben darüber hinaus auch die Eingabe von speziellen Kundenwünschen, Einprobeterminen etc., welche auch auf den Laufzetteln berücksichtigt werden. Eine Kapazitätsplanung findet jedoch in keiner Weise statt. Der Begriff Kapazitätsplanung bzw. Laborkapazitätsplanung wirkt oftmals befremdend oder läßt diesen manchmal zu einem „Zungenbrecher" werden. Aus diesem Grund sollten wir diesen Begriff zunächst einmal intensiver erläutern, bevor wir den Versuch wagen, die Umsetzungsmöglichkeit mit einem Computer in Erwägung zu ziehen. Einfach formuliert bedeutet die Definition Kapazitätsplanung nichts anderes, daß eine betrieblich ermittelte (tatsächlich vorhandene) Kapazität, bestehend aus der Arbeitszeit und der Qualifikation jedes produzierenden Technikers in Relation zu den neu eingegangenen, zu den bereits vorhandenen und möglicher Weise zu den zu erwarteten Aufträgen gesetzt wird.
Im Klartext: Die betrieblichen Ressourcen müssen permanent mit sämtlichen Aufträgen in Einklang gebracht werden. Daher muß jeder Auftrag auf technische und terminliche Machbarkeit überprüft, gesteuert, gelenkt und vor allem überwacht werden.
Das ganze Thema Kapazitätsplanung gerät für viele „ins Schwanken", wenn weiterhin individuelle Kundenwünsche und die bereits erwähnten unvorhergesehen Ereignisse hinzukommen bzw. eintreten.
Aus diesen, wie auch aus anderen Gründen ist es nicht verwunderlich, daß von den insgesamt 65 Anbietern nur 6 Anbieter ein sogenanntes Kapazitätsplanungsprogramm anbieten. Letzten Schätzungen zur Folge arbeiten im gesamten Bundesgebiet höchstens 2 – 3 Prozent aller Laboratorien mit Computergesteuerten Planungsprogrammen. Die Annahme jedoch, daß nur Großbetriebe diese Programme einsetzen würden ist unlängst bewiesen ....... falsch.
Manche mögen jetzt an dieser Stelle über die Fragestellung schmunzeln; ob es möglich wäre, daß ein „Kleinbetrieb" nicht in der Lage wäre, alle Arbeiten an die entsprechenden Personen verteilen zu können? Die Antwort lautet recht diplomatisch formuliert: „Im Prinzip Ja!"
Unabhängig von der Betriebsgröße ist jedes Unternehmen ohne großen Aufwand in der Lage prinzipiell alle Aufträge den Anforderungen entsprechend anzufertigen und termingerecht zu liefern. Die einzige jedoch entscheidende Grundvoraussetzung für dieses These könnte einzig allein durch eine Kontinuität gewährleistet werden. Es muß nicht weiter ausgeführt werden,
wenn wir nur eine kontinuierliche Auftragsanzahl, gleichbleibende Bestellungen (Kronen, Brücken etc.) und eine verläßliche Anwesenheit der Mitarbeiter als Hauptfaktoren benennen. Wäre diese Kontinuität in jedem Labor vorhanden, wären viele uns bekannte Labor - Alltagsprobleme nicht existent. In diesem Zusammenhang wäre konsequenter Weise auch ein EDV - Kapazitätsplanungsprogramm nicht erforderlich.
Diese Aussage sollte uns die eigentliche Aufgabe eines Kapazitätsplanungsprogrammes vor Augen halten. Ein EDV Programm mit der Aufgabenstellung alle Arbeiten an die entsprechenden Mitarbeiter zu verteilen, die Termine zu überwachen und ferner die individuellen Bedürfnisse der Auftraggeber (Zahnärzte) zu berücksichtigen findet nur dadurch seine Daseinsberechtigung, in dem es in praxisnaher Umgebung funktioniert. Und diese zeigt sich uns jeden Tag in einer anderen Form. Ergo; auch ein Kapazitätsplanungsprogramm muß für den Alltag konzipiert werden und vor allem in „Krisensituationen" seine Aufgabe meistern können.
Rentabilität eines Kapazitätsplanungsprogrammes
Als primärer Grund ein Kapazitätsplanungsprogramm einzusetzen, wird von
allen EDV Anwendern einvernehmlich ein betriebswirtschaftlicher Vorteil
angegeben. Dieses Ziel kann im wesentlichen durch folgende Aspekte erreicht
werden:
p Reduzierung der Planzeiten
p Optimale Koordinierung der Arbeiten auf die
Techniker bzw. auf die Abteilung
p Optimierung der Botenplanung
p Automatisierte Terminerinnerung
p Reduzierung der Rüst- und Verteilzeiten
p Effektive Auslastung Maschinen und Geräte
p Minderung von internen und externen
Reklamationen
p Optimierung der Kundenkommunikation
p Qualitätssteigerung
p Renditenerhöhung
p Leistungsgerechte Arbeitsverteilung
p Verbesserung der Arbeitszeiten (Novellieren)
p Erhöhung der Motivation
Die oben genannten Zahlen sind als Beispiel zu werten und sind daher individuell zu prüfen.
Die aufgeführten Vorteile bestätigen, daß ein EDV Kapazitätsplanungsprogramm nicht einzig allein zur Reduzierung des Verwaltungsaufwandes eingesetzt wird, sondern vordergründig betriebswirtschaftliche Aufgaben erfüllt.Nach intensiver Grundsatztheorie und Philosophie widmen wir uns nun der Umsetzungsmöglichkeit der einzelnen Aufgaben durch ein passendes EDV Programm.
Zur Funktionalität bedarf es jedoch drei fundamentalen Grundvoraussetzungen. Der identische Inhalt dieser Voraussetzungen wird durch die Vorgabewerte der Techniker, der Leistungen und der Zahnärzte gestellt. Dieser Bereich ist gleichzeitig der wichtigste und bedarf einer sensiblen Bewertung der einzelnen Daten. Das Zusammenspiel dieser Betriebsdaten steuert alle zukünftigen Betriebsabläufe. Für die Ermittlung der Daten sollte ein Zeitraum von ca. 3 – 6 Monaten berücksichtigt werden.
Beginnen wir mit dem ersten Schritt der Datenermittlung. Dieser Vorgang muß in der Praxis äußerst behutsam und aufmerksam vollzogen werden.
Technikerspezifikation
Bei den Technikerdaten kommt es nicht darauf an, die „reine" Anwesenheit der einzelnen Mitarbeiter festzustellen, sondern die reale Produktivzeit. Nach Abzug der unproduktiven Zeit (ca. 15 Prozent) wie z.B. kurze Unterhaltungen, „Rauchpausen" etc. verbleibt als Restwert der eigentliche Produktivitätsindex. Im nächsten Abschnitt muß der quantitative Wert der einzelnen Techniker in Bezug auf die einzelnen Abteilungen oder Arbeiten errechnet bzw. ermessen werden. Dieses Unterfangen gibt darüber Auskunft, welcher Techniker in einer vorgeschriebenen Zeit, welche erreichbare Stückzahl an Arbeiten anfertigen kann. Die Praxis bestätigt es immer wieder, daß eine Vielzahl von hervorragenden Technikern, wie andere Menschen auch, in gewissen Bereichen sehr schnell und hochwertig arbeiten können und in vermeintlich einfachen Bereichen manchmal recht unrentabel vorgehen. Alle Stärken und Schwächen der Techniker müssen bei der Bewertung berücksichtigt werden um später optimal eingesetzt werden zu können.
Somit entsteht langsam ein Anforderungsprofil zwischen
betriebswirtschaftlicher und quantitativer Notwendigkeit. Im Klartext: Es
kristallisiert sich heraus, ab welchem Faktor ein Techniker seine persönliche
Rentabilität erreicht. Dies kann unter Umständen bedeuten, daß ein Techniker,
der bisher in Abteilung "X" gearbeitet hat, wesentlich effektiver in
Abteilung "Y" einsetzbar wäre und nur bei Ausnahmefällen in seine
ursprüngliche Abteilung zurückkehren darf.
Bei diesen Vorgängen dürfen wir von einem sogenannten
rotierenden System sprechen, welches nur eingesetzt wird, wenn es
unvorhersehbare Situationen abverlangen. Verbal formuliert bedeutet es für uns,
daß ein EDV Kapazitätsplanungsprogramm im wesentlichen die Techniker nach
betriebswirtschaftlichen und rentablen Gesichtspunkten einteilt. An dieser Stelle möchten wir darauf hinweisen, daß ein
Kapazitätsplanungsprogramm offen lassen sollte, sämtliche Zuteilungen der
Arbeiten auch auf die Abteilungen zu ermöglichen. Hierbei werden die
Einteilungen der Arbeiten von einem Abteilungs- oder Betriebsleiter vorgenommen.
Diese Vorgehensweise wird durch die eigentliche bestehende Labororganisation
bestimmt. Leistungsspezifikation
Mit den vorhandenen Zeitwerten, die uns aus der BEB und aus der BEB97
bekannt sein dürften, stehen uns verhältnismäßig gute Zeitangaben zur
Verfügung, welche wir uns zumindest als Basis nutzbar machen dürfen. Nach
intensiver Prüfung müssen die Zeitwerte individuell dem Betrieb angepaßt
werden. Es ist als selbstverständlich zu bezeichnen, daß die ermittelten
Zeitwerte auch im Laufe der Zeit immer wieder geprüft werden müssen, da neue
Technologien und resultierende Erfahrungen in der Regel die bestehenden
Produktionszeiten ändern werden.
Es mag ein wenig verwunderlich klingen, daß keine feste Regelung in den Dental Laboratorien existiert, welche ausschließlich die Benutzung der BEL/BEB Zeitangaben „fest" schreibt. Die Praxis beweist uns im selben Verhältnis die guten Erfahrungen mit den REFA Studien (BEL/BEB) der einzelnen Leistungen, wie auch die Pauschalierung ganzer Arbeitsböcke. Die Entscheidung welche der beiden Möglichkeiten in Frage kommt, muß letztendlich durch das einzelne Labor getroffen werden.
Kundenspezifikation
Am Ende der Leistungskette stehen die individuellen
Leistungsanforderungen der Zahnarztpraxen. Die „definierte" und
geforderte Qualität der Zahnärzte qualifiziert entsprechende Techniker zu
einer gewissen Exklusivität respektive Ausschließlichkeit. Die Klassifizierung
erfolgt in der Regel von der A- bis zur Z Klasse. Die Vielfalt der
Klasseneinteilungen bezieht sich nicht nur auf den Qualitätsanspruch, sondern
z.B. auch auf Umsatz, Zahlungsmoral etc. Durch die Einteilung findet
gleichzeitig eine mögliche Selektion der Techniker statt. Ferner ist es
wichtig, daß ein erhöhter oder geminderter Zeitaufwand in unterschiedlichen
Abteilungen berücksichtigt wird. Hierdurch wird es bei der EDV Planung
automatisch ermöglicht, die im Zusammenhang der einzelnen Arbeiten stehenden
Produktionszeiten automatisch einzubeziehen. Weitere Einteilungen lassen sich
durch die Differenzierung von Kassen und Privatleistungen erzielen.
Die Notwendigkeit der Datenermittlung und die Vorgehensweise bei der Kapazitätsplanung mit EDV Unterstützung erfahren wir aus dem 2. Kapitel in der kommenden Ausgabe.