MPG in der Zahntechnik
Ein Beitrag von Tony Domin (Autor des Buches "Marketing im Dental Labor")
DPL Network Hamburg
MPG Grundlagen
In der Vergangenheit hat kein Thema die Zahntechnik über einen vergleichbar langen Zeitraum beschäftigt wie das Medizin Produkte Gesetz; kurz MPG genannt. Berücksichtigen wir die Festlegung (01.01.1995) und die Inkraftsetzung des Gesetzes (14.06.1998) und die Umsetzung in den deutschen Dental - Laboratorien, kommen wir zu einem als enttäuschend zu formulierendem Ergebnis.
Über das Thema MPG wurden bis heute viele Fachvorträge gehalten und es erschien unzählige Publikationen. Es ist nicht als Sarkasmus zu bezeichnen, wenn wir festhalten, daß die meisten von uns mehr Zeit und Energie dafür verwendet haben, über dieses Problem bzw. Thema zu diskutieren, als diese Aufgabe zu lösen. Viele Institutionen und Verbände informierten angeschlossene Laboratorien über die Notwendigkeit der Umsetzung in Form von Rundschreiben und Abfassungen von Paragraphen, doch diese schriftlichen Mitteilungen konnten auch nicht dazu beitragen, die allgemeine Verwirrung zu lindern.
Bedauerlicherweise hielten und halten es viele von uns für die Aufgabe der Innungen und Verbände, das MPG ordnungsgemäß in den Laboratorien umzusetzen. Einzelne Vorstöße konnten stellenweise erleichternde Praxisumsetzungen anbieten, doch die Mehrheit ist nach wie vor nur geringfügig oder gar nicht "Gesetzestreu" den Prüfungen seitens der Gesundheitsbehörde vorbereitet. Jüngste und uns hoffentlich allen bekannten Prüfungen der Gesundheitsbehörde, führten bereits zu zahlreichen Abmahnungen, Geldstrafen und Androhungen von Betriebsschließungen. Die allgemeine Unverständnis, wie auch die Ablehnung dieses Gesetzes hat uns in den letzten Jahren im Vergleich zu den europäischen Mitgliedsstaaten ins Abseits gedrängt, wo bereits seit langem dieses Gesetz in den einzelnen Laboratorien umgesetzt wurde.
Bevor wir uns intensiv mit der Materie des MPG´s auseinandersetzen, möchte ich persönlich Stellung beziehen um präventiv mögliche Spekulationen auszuschließen. Seit vielen Jahren arbeite ich als QM und MPG Berater und habe persönlich in der Vergangenheit in weit über 100 Betrieben Beratungen und Praxisgerechte MPG und QM Systeme implementiert.
Meine Erfahrung hat gezeigt, das oftmals eine völlig überzogene Einstellung zum MPG vorherrscht und das von Betriebsaufwendungen ausgegangen wird, die mit dem real zu erbringenden zeitlichem und finanziellem Aufwand nicht konform ist. Unabhängig von der Laborgröße kann jeder Betrieb mit dem nötigen Wissen und dem richtigen Equipment innerhalb von 2 Wochen ein ordnungsgemäßes MPG System organisieren, Mitarbeiter schulen und abschließend sicherstellen. Als letztes ist anzumerken, daß jeder Betrieb eigen- und allein verantwortlich für die Umsetzung des MPG zuständig ist.
Grundsätze des MPG
In der Regel werden die meisten Abhandlungen mit Verfahrens- und Vorgehensweisen begonnen. Wir werden jedoch zunächst in Kurzform tabellarisch aufführen, welche Maßnahmen nicht erfüllt werden müssen, bzw. welche allein nicht ausreichen, um eine Gesetzes Konformität zu erlangen:
Relevante MPG Paragraphen
Selbst eine demokratisch geführte Regierung, kann ohne Gesetze und die nötigen im Gesetzbuch formulierten Paragraphen nicht existieren. Die für viele als zu komplex oder abstrakt definierten Gesetzinterpretationen führen jedoch häufig eher zur allgemeinen Verunsicherung, als zur Aufklärung der Bürger. Dennoch ist es auch uns unumgänglich diese Gesetze zumindest zu nennen. Die im Zusammenhang mit dem MPG abgefaßten Gesetze sind für uns nur von Relevanz, solange diese die Zahntechnik betreffen. Im einzelnen sind es folgende Paragraphen:
Als Grundlage des MPG´s gilt die Richtlinie 93/42/EWG des
Rates vom 14.6.1993 über Medizinprodukte - Anhang 1
(Amtsblatt der EG Nr. L 169 Seite 13 – Auszug)
Allgemeine Anforderungen
1. Die Produkte müssen so ausgelegt und hergestellt sein, daß ihre Anwendung weder den klinischen Zustand und die Sicherheit der Patienten noch die Sicherheit und die Gesundheit der Anwender oder gegebenenfalls Dritter gefährdet, wenn sie unter den vorgesehenen Bedingungen und zu den vorgesehenen Zwecken eingesetzt werden, wobei etwaige Risiken verglichen mit der nützlichen Wirkung für den Patienten vertretbar und mit einem hohen Maß des Schutzes von Gesundheit und Sicherheit vereinbar sein müssen.
2. Die vom Hersteller bei der Auswahl und der Konstruktion
der Produkte gewählten Lösungen müssen sich nach den Grundsätzen der
integrierten Sicherheit richten, und zwar unter Berücksichtigung des allgemein
anerkannten Standes der Technik. Bei der Wahl der angemessenen Lösungen muß
der Hersteller folgende Grundsätze anwenden, und zwar in der angegebenen Reihen
folge:
- Beseitigung oder Minimierung der Risiken (Integration des Sicherheitskonzepts
in die Entwicklung und den Bau des Produkts)
- gegebenenfalls Ergreifen angemessener Schutzmaßnahmen, einschließlich Alarmvorrichtungen, gegen nicht zu beseitigende Risiken;
- Unterrichtung der Benutzer über die Restrisiken, für die keine angemessenen Schutzmaßnahmen getroffen werden können.
Anmerkung: Die Meldefrist beträgt 30 Tage
(Beinahe - Vorkommnisse ohne Todesfall). Die Meldefrist beträgt 10 Tage
(Vorkommnisse wie z.B. Verschlechterung des Gesundheitszustandes bzw. Todesfall
des Patienten)
Die Bundes und Landesbehörden werden Meldesysteme einrichten (Teilweise bereits
vorhanden)
3. Die Produkte müssen die vom Hersteller vorgegebenen Leistungen erbringen, d.h., sie müssen so ausgelegt, hergestellt und verpackt sein, daß sie geeignet Sind, eine oder mehrere der in Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a) genannten Funktionen entsprechend den Angaben des Herstellers zu erfüllen.
4. Die Merkmale und Leistungen gemäß den Abschnitten 1, 2 und 3 dürfen sich nicht derart ändern, daß der klinische Zustand und die Sicherheit des Patienten und gegebenen falls Dritter während der Lebensdauer der Produkte nach Maßgabe der vom Hersteller gemachten Angaben gefährdet werden, wenn diese Produkte Belastungen ausgesetzt sind, die unter normalen Einsatzbedingungen auftreten können.
5. Die Produkte sind so auszulegen, herzustellen und zu verpacken, daß sich ihre Einsatzmerkmale und Leistungen während der Lagerung und des Transports unter Berücksichtigung der Anweisungen und Informationen des Herstellers nicht ändern.
6. Unerwünschte Nebenwirkungen dürfen unter Berücksichtigung der vorgegebenen Leistungen keine vertretbaren Risiken darstellen.
MPG Hinweise Abkürzungen
MDD = Medical Devices Directive
(93/42/EWG) ist europäisches Recht
MPG = Medizin Produkte Gesetz
setzt das europäische Recht in deutsches Recht um Das MPG ist umfangreicher als
die MDD (Einschluß ChemG, EichG u.a.), darf der Richtlinie aber nicht
widersprechen
MPV = Medizin – Produkte – Verordnung
DIMDI = Deutsches Institut für medizinische Dokumentation
und Information
Auswahl der wichtigsten Paragraphen in Kurzform
§ 1 Zweck des Gesetzes
Zweck dieses Gesetzes ist es, den Verkehr mit Medizinprodukten zu regeln und
dadurch für die Sicherheit, Eignung und Leistung der Medizinprodukte sowie die
Gesundheit und den erforderlichen Schutz der Patienten, Anwender und Dritter zu
sorgen.
§ 2 Anwendungsbereich des Gesetzes
Absatz (1) Dieses Gesetz gilt für das Herstellen, das lnverkehrbringen, das
Inbetriebnehmen, das Ausstellen, das Errichten, das Betreiben und das Anwenden
von Medizinprodukten sowie deren Zubehör. Zubehör wird als Medizinprodukt
behandelt.
§ 3 Begriffsbestimmungen
Absatz (1) Medizinprodukt
Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen
oder andere Gegenstände vom Hersteller zur Anwendung für Menschen zum Zwecke
der
- Behandlung oder Linderung von Krankheiten
- Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen
- Ersetzung oder Veränderung des anatomischen Aufbaus zu dienen bestimmt sind
und deren bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper weder
durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel noch durch Metabolismus
erreicht wird...
Absatz (7) Sonderanfertigung
ein Medizinprodukt, das nach schriftlicher Verordnung nach spezifischen
Auslegungsmerkmalen eigens angefertigt wird und zur ausschließlichen Verwendung
bei einem namentlich benannten Patienten bestimmt ist.
Erläuterung
Sonderanfertigungen sind danach Zahnersatz wie z.B. Brücken, Kronen etc.
Diese dürfen in Verkehr gebracht werden, wenn diese das dafür vorgesehene
Konformitätsbewertungsverfahren entsprechen. Der Zahnersatz wird ohne CE
Kennzeichnung in den Verkehr gebracht, muß aber den Anforderungen des §14 MPG,
§ 10 MPV, Anhang VIII der Richtlinie 93/42/EWG entsprechen.
Absatz (12) lnverkehrbringen von Sonderanfertigungen
jede Abgabe von Medizinprodukten an andere. Als lnverkehrbringen nach MPG
gilt nicht;
- die Abgabe zum Zwecke der klinischen Prüfung
- das erneute Überlassen eines Med. Prod. nach seiner Inbetriebnahme beim
Anwender an einen anderen, es sei denn, daß es aufgearbeitet oder wesentlich
verändert worden ist.
- die Anwendung im Rahmen der Therapie des Zahnarztes (praxiseigene Labors)
Absatz (15) Hersteller
Natürliche oder juristische Person, die für die Auslegung, Herstellung,
Verpackung und Kennzeichnung eines Medizin Produktes im Hinblick auf das
erstmalige lnverkehrbringen im eigenen Namen verantwortlich ist, unabhängig
davon, ob diese Tätigkeiten von dieser Person oder stellvertretend für diese
von einer dritten Person ausgeführt werden.
Relevante MPG Paragraphen
p § 3: Begriffsbestimmungen:
Sonderanfertigung
p § 5: Grundlegende Anforderungen
p § 7: Verantwortlicher für das erstmalige
lnverkehrbringen
p § 8: Voraussetzungen für
das lnverkehrbringen (Sonderanfertigungen ohne CE-Zeichen !)
Definition CE
rechtlich: Verwaltungszeichen (Erfüllung der Anforderungen = Verkehrsfähigkeit)
faktisch: Gütesiegel, da die Anforderungen der MDD Sicherheit & Funktionstauglichkeit umfassen
formal: ursprünglich: CE = Communauté Européenne = EG
p § 12 (1):
Konformitätsbewertungsverfahren für Sonderanfertigungen
p § 13: Klassifizierung
p § 14 (2) und (3):
Konformitätsbewertungsverfahren, Verweis auf MPV
p § 25: Allg. Anzeigepflicht (Herstellung +
lnverkehrbringen)
p § 26: Durchführung der Überwachung
p § 28: Verfahren zum Schutz vor Risiken
p § 29: Medizinprodukte- Beobachtungs- und
Meldesystem
p § 30: Sicherheitsplan
Definition Sicherheitsplan
für Erstmeldungen und Abschlußberichte von Vorkommnissen sind Formulare
(DIMDI) zu verwenden. Meldepflichtig sind Vorkommnisse mit Todesfolge
oder schwerwiegenden Gesundheitsschäden. Verantwortlich für
Risikomeldungen: Sicherheitsbeauftragter zentrale Regelung über die Innung
möglich
p § 31:
Sicherheitsbeauftragter
p § 32: Medizinprodukteberater
Relevante MPV Paragraphen
p § 2: Durchführung von
Anzeigen nach dem Medizinproduktegesetz
p § 4: Klassifizierung Verweis Annex IX MDD
(siehe: DIN V 13974 (01/97):
Anleitung zur Klassifizierung von Dentalprodukten und Zubehör)
p § 5: Konformitätsbewertung
Artikel 11/ Annex VIII MDD
p § 7: Konformitätserklärung &
Dokumentation von Sonderanfertigungen
p § 10: Sonderanfertigungen
Annex VIII MDD
p Erklärung nach 2.1 (Konformitätserklärung)
- Zur Identifikation des Produktes notwendige Daten
- Versicherung daß das Produkt ausschließlich für einen bestimmten Patienten
vorgesehen ist + Name des Patienten
- Name des verordnenden Arztes + ggf. Name der med. Einrichtung
- spez. Merkmale gemäß Verordnung
- Versicherung, daß das Produkt den Grundlegenden Anforderungen entspricht und
ggf. Grund für nicht vollständig erfüllte Anforderungen
p Dokumentation nach 3.1 (technische
Dokumentation)
- Auslegung, Herstellung und Leistungsdaten des Produktes, so daß sich
beurteilen läßt, ob es die Anforderungen der Richtlinie (d.h. Annex I MDD)
erfüllt
- Darlegung, wie sichergestellt wird, daß die hergestellten Produkte stets mit
der Dokumentation übereinstimmen (QM-System !)
Zusammenfassende Grundsätze & Informationen
p Durch die MPG – Regelung
gilt ein Zahnersatz als Sonderanfertigung
p Der Zahnersatz wird den Klassen I + IIa
zugeordnet.
p Es müssen die sogenannten "Anforderungen"
erfüllt werden.
p Für jede Sonderanfertigung muß der
Hersteller (das Dental-Labor) eine Konformitätserklärung abgeben, in
der die Erfüllung der ,,Grundlegenden Anforderungen" bestätigt wird.
p Die Dental-Laboratorien mußten sich bis zum
28.02.1995 beim Regierungspräsidenten bzw. Senat ihres jeweiligen
Bundeslandes als ,,Hersteller von Sonderanfertigungen" anzeigen.
p Die Dental-Laboratorien mußten gleichzeitig
als Medizinproduktehersteller einen Sicherheitsbeauftragten für
Medizinprodukte beim Regierungspräsidenten bzw. Senat benennen
p Es muß ein Medizinprodukteberater, der
Fachkreise (Zahnärzte) berät, benannt werden und die entsprechende Ausbildung
bzw. Qualifikation nachweisen.
Definition Klasseneinteilung des Zahnersatzes
Klasse 1:
Zahnersatz zur vorübergehenden Anwendung (weniger als 60 Minuten) bestimmt.
Klasse IIa:
Zahnersatz zur Iangzeitigen Anwendung (mehr als 30 Tage) bestimmt.
(Regelfall zahntechnischer Arbeiten)
Zwischenfazit
Die vielen genannten Paragraphen und Ausführungen tragen in dieser
bereits abgeschwächten Form nicht dazu bei, uns eine ausreichend verständliche
Verfahrensweise im Labor erkennen zu lassen. Diesbezüglich werden wir uns
abschließend in der nächsten Ausgabe beschäftigen.
Tony Domin